Ray Charles - Genius & Friends



Die Qualitäten des von Frank Sinatra passenderweise als "Soul Genius" bezeichneten Ray Charles sind unbestritten. Auch liest sich die Liste der auf "Genius & Friends" vertretenen Duettpartner mit Mary J. Blige, George Michael, Alicia Keys, Chris Isaak, Diana Ross, Willie Nelson, John Legend u.v.m. durchaus hübsch und dennoch bleibt die CD hinter den Erwartungen zurück. Ob dies nun darauf zurückzuführen ist, dass die Aufnahmen bereits aus den Jahren 1997 und 1998 stammen und dass die Gastgesänge größtenteils posthum eingespielt wurden, oder darauf, dass ein zweiter Teil eines solchen Erfolgskonzepts (nach "Genius Loves Company") generell ein kleines bisschen nach Leichenfledderei riecht, vermag ich nicht eindeutig zu beurteilen. Natürlich finden sich unter den 14 auf "Genius & Friends" vertretenen Stücken durchaus einige Perlen wieder - etwa das live mit Willie Nelson eingespielte "Busted", "It All Goes By So Fast" mit Mary J. Blige oder "Blame It On The Sun" mit George Michael - dennoch bleibt leider auch nach mehrmaligem Genuss der knapp 58 Minuten ein etwas fader Beigeschmack der Langeweile im Ohr haften. Eine eindeutige Kaufempfehlung kann ich daher nicht aussprechen, Komplettisten hingegen können natürlich auch auf "Genius & Friends" nicht verzichten.


Emiliana Torrini ::: 26.09.2005, Berlin - Passionskirche

Mitten in Kreuzberg steht die 1905 bis 1908 errichtete Passionskirche. Ein wirklich schöner Ort für ein Konzert der Isländerin Emiliana Torrini.



Schön war's!

Um 20:00 soll's losgehen, Kenner der Kirche allerdings scheint es genügend zu geben und so hat sich bereits um 19:00 Uhr eine lange Schlange vor dem Eingang gebildet. Dass ich mich - anstatt mich ordentlich hinten anzustellen - lieber zum Mexikaner gesetzt und schnell noch etwas gegessen habe, sollte sich sehr bald als großer Fehler herausstellen: Um kurz nach Acht sind sämtliche Bänke mit direktem Blick auf die Bühne natürlich belegt. Ich finde Platz am rechten Rand und erfreue mich an den äußerst humanen Getränkepreisen.

Nicht ganz so erfreulich dann der Autritt von Adem [klick] im Vorprogramm, welcher vom Publikum mit dezentem Höflichkeitsapplaus bedacht wird. Um 21:00 Uhr geht's dann endlich los. Torrini, ein weißes Kleid und die Haare hochgesteckt tragend, betritt mit ihrer dreiköpfigen Band die Bühne, die mal Altarraum war. Und entschuldigt sich erst einmal auf Deutsch für ihre Unpünktlichkeit: "Ich habe im Bus zu lange gebügelt". Derartige Dialoge mit dem Publikum werden über das gesamte Konzert hinweg fortgeführt. Immer wieder überrascht die Isländerin mit kleinen, charmanten Anekdoten. Musikalisch steht ihr aktuelles Werk, "Fisherman's Woman" im Vordergrund. Hervorragend instrumentiert schleichen sich immer wieder hochbehackte Damen auf Zehenspitzen durch den Raum, um die wirklich intime Atmosphäre nicht mit einem etwaigen Klackern zu stören. Gelegentlich kippen Flaschen laut scheppernd auf den Fußboden, was Torrini schließlich kichernd mit "ihr seid so besoffen" kommentiert. 16 Stücke lang herrscht gebannte Ruhe, dann ist es fast halb Elf und die Vier verschwinden kurzzeitig von der Bühne. Der zu Recht heftige Applaus bewegt die Musiker noch zu einer zwei Stücke umfassenden Zugabe: Mit "Today Has Been OK" und einer wunderschönen Version vom mir bislang nur von Shirley Bassey bekannten "If You Go Away" beschließt die 28-jährige Isländerin dann diesen wirklich heraus ragenden Konzert-Abend.

Am Glanz der Augen der übrigen Besucher fühle ich mich bestätigt: Schön war's - sehr sogar!


Institute - Distort Yourself



Was haben doch etliche meiner Freunde die Augen verdreht, als ich mir Bush auf ihrer im Nachhinein als Abschiedstour zu bezeichnenden Konzertreise zu "Golden State" live gegönnt habe. Frontmann Rossdale sei der "Oberposer", das sei "Stadionrock" und so weiter und so fort. Mir war's egal, mich hatten Bush bereits vor Jahren auf dem Bizarre-Festival von ihren Live-Qualitäten überzeugt. Dem konnten weder Rossdales bloßer Oberkörper, seine grellrote Frisur, noch sein Hang zur Selbstdarstellung etwas anhaben.

Bush sind mittlerweile Geschichte und von Rossdale war in den vergangenen Jahren weniger zu hören als vielmehr in bunten Blättern zu lesen. Wer nun glaubt, dass sein neues musikalisches Projekt namens Institute in diese glattpolierte Hochglanz-Ecke abzudriften droht, sieht sich bereits beim ersten Durchlauf gehörig getäuscht. "Distort Yourself" ist sperrig, kantig, eckt an, tritt dir in den Arsch. Die furztrockene Produktion tut ihr übriges - kein Wunder, steckt doch Helmet-Chef Page Hamilton dahinter. Von der gleichen Heroen-Formation stammt übrigens der Gitarrist neben Rossdale, Chris Traynor, der Bassist Cache Tolman kommt von Civ (und war vorher bei den Rival Schools) und am Schlagzeug tobt sich Charlie Walker von Chamberlain aus. Die 13 Stücke von "Distort Yourself" machen schnell deutlich, dass es sich bei Institute keineswegs - wie bei Bush - um ein reines Rossdale-Ding handelt, sondern um ein gemeinschaftliches Projekt. Rossdale dazu: "Ich habe die Platte auch nicht alleine aufgenommen, nur Teile sind von mir." Fans von Bush dürften dennoch ihren Spaß an den knapp 56 Minuten haben. Und mit "Save The Robots" und "Ambulances" finden sich gar zwei sanftere Stücke auf "Distort Yourself" wieder.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Debüt von Institute definitiv einen harten Neuanfang darstellt, ohne jedoch alte Fans allzu heftig zu verschrecken.
"Distort Yourself" werde ich oft hören. Vermutlich sehr oft.


Stealth - O.S.T.

"Wir schreiben keine neuen Songs, wenn wir auf Tour sind und so gab es keinen Pool aus Tracks, auf den wir für den Soundtrack hätten zurückgreifen können. Also haben wir die drei Songs extra neu geschrieben und eingespielt. 'Make A Move' ist ein absolut klassischer Incubus-Song geworden."

Frontmann Brandon Boyd muss es ja wissen und er hat Recht. Die drei auf diesem Soundtrack vertretenen neuen Incubus-Stücke "Make A Move, "Admiration" und Neither Of Us Can See" (+ "Aqueous Transmission" vom 2001er-Album "Morning View") dürfen wohl in keiner Fan-Sammlung fehlen. Auch die weiteren vertretenen Interpreten des Soundtracks (nicht zu verwecheln mit dem von BT komponierten Filmscore, welcher auf Colosseum Records erschienen ist) gehen mit David Bowie (feat BT) Sly & The Family Stone, Institute, Kasabian, Dredg, The Fray, Trading Yesterday, Acceptance und Glenn Hughes (feat Chad Smith und John Frusciante mit ihrer feinen Version des Moody Blues-Klassikers "Nights In White Satin") sehr in Ordnung. Dass diese Compilation dennoch nicht so recht zu zünden vermag, muss wohl an dem grausligen Artwork liegen, das - Entschuldigung - schlimmer als "Top Gun" gepaart mit "Independence Day" anmutet. Drei Helden der Air Force vor einem Tarnkappenbomber im brennenden Himmel - geht's noch?

Der Soundtrack geht in Ordnung und stellt für Incubus-Fans gar ein Muss dar. Den Film will hingegen möchte ich unter keinen Umständen sehen.


Revolverheld - Revolverheld



Was? Revolverheld? Sich so mit Cowboyhut vor dem Saloon mit einem Kontrahenten duellieren? Irgendwie schon, zumindest ballert Frontmann Johannes (Gesang) mit einer imaginären Wumme vom Cover gen Hörer. Und seine vier Mitstreiter Niels (Gitarre), Kristoffer (Gitarre), Flo (Bass) und Jakob (Schlagzeug), seine "Gang", steht finster dreinblickend im Hintergrund. Der Cowboyhut allerdings fehlt.

Mit Country oder irgend einem Westerngedudel hat Revolverhelds selbstbetiteltes Debüt aber auch so rein gar nichts zu tun. Hier wird vielmehr gerockt. Und zwar amtlich gerockt. Die Hamburger liefern zwölf blitzsaubere Stücke ab, die bereits beim ersten Durchlauf wunderbarst ins Ohr gehen und einen zumindest die Refrains sofort mitsingen lassen. Klar, dass die erste Auskopplung, "Generation Rock", bereits erfolgreich in den Radiostationen und bei MTVIVA rotiert. Musikalisch erinnert die von den beiden Gitarristen zusammen mit Clemens Matznick (u.a. Guano Apes & Donots) eingespielte Produktion gelegentlich an die Schotten lostprophets, was durchaus als Kompliment zu verstehen ist. Der satte Sound wird veredelt von Johannes' energetischem deutschsprachigen Gesang und macht aus dem Debüt der Fünf somit eine runde Sache, die wir in den nächsten Jahren sicherlich weiter verfolgen werden.

Und jetzt einen Tequila an der staubigen Bar. Cheers - auf Revolverheld!


Heather Nova - Redbird



Hmm, ist das jetzt ein gutes Album?

Songwriterisch muss diese Frage eindeutig mit ja beantwortet werden. Die Produktion jedoch erscheint gelegentlich ein wenig überzogen. Die Stärke Novas sind nach wie vor sicherlich die melancholischen, zutiefst emotionalen Momente. Die finden sich natürlich auch auf "Redbird", ihrem mittlerweile sechsten Studio-Album, wieder. Vielleicht habe ich auch nur die ersten Alben Novas mit ihrer im Vergleich fast als spartanisch zu bezeichnenden Instrumentierung zu lieb gewonnen? Die 51 Minuten von "Redbird" jedoch kleben im Ohr. Zum einen natürlich aufgrund der wirklich guten Songs (allen voran "The Sun Will Always Rise", aber auch "I Miss My Sky (Amelia Earhart's Last Days)" oder "Singing You Through"), andererseit aber eben auch aufgrund des überzogenen Einsatzes von Streichern, zartem Klaviergeklimper und Background-Gesängen wegen. Manchmal ist weniger eben doch mehr.

Und? Ist "Redbird" nun ein gutes Album? Ja und nein. Ich bin unentschlossen.


Blacknuss - Gold



Ha! Habe ich noch nie gemacht, weil es noch nie passte - jetzt endlich mal tut es das. Ich schreibe also (fast) nichts, sondern übernehme den "Gold" auf den Punkt beschriebenen Pressetext. Und unterschreibe...

"Blacknuss ist nicht nur der Titel eines Albums des großen Jazz-Saxophonisten Rashaan Roland Kirk, sondern auch der Name einer schwedischen Funk-Super-Group. 'Gold' ist nicht nur der Titel des hier vorliegenden Best Of-Albums dieser Band, sondern auch der Award, den sie dafür in Schweden verliehen bekam. 'A Decade Of Soul, Jazz And R'n'B' ist nicht nur der Untertitel dieses Albums, sondern das musikalische Werk einer Session-Band, die in einem Jazz-Club gegründet und dann in den Chartspitzen notiert wurde. Hier kommt die Geschichte von
Blacknuss!

Dass Schweden große Jazzer hervorgebracht hat, ist kein Geheimnis. Dass die zur Zeit angesagtesten davon bei Blacknuss funky Soul und R'n'B gespielt haben, vielleicht schon eher. Oder wussten Sie, dass Esbjörn Svensson 1995 Fender Rhodes Grooves zu schwedischem Retro-Funk der Marke Average White Band beigesteuert hat? Victoria Tolstoy hat neben Schwedens Pop-Queen Titiyo süßesten R'n'B gesungen, wie er amerikanischer eigentlich nicht sein kann. Dazu servierte der Gitarrist von Eagle Eye Cherry, Mattias Torell, feinste Funk-Riffs. So wie er es auch tut, um Sängerin Robyn S. zu begleiten, die weltweit mit 'Show Me Love' einen Riesenhit landete.

Es scheint ganz so, als wäre Blacknuss eine Station, ein Sprungbrett, eine Instanz, die ein schwedischer Musiker durchläuft bevor er eine internationale Karriere anstrebt. Gegründet wurde sie von Martin Jonsson und Christian Falk, ein funky Drummer und sein Bassist, die es schafften, immer neue Musiker um sich zu einen - mit dem klaren Ziel, zu grooven!


Blacknuss' 'Gold' zeigt den Weg zu diesem Ziel und präsentiert das Projekt als etabliertes Markenzeichen handgemachter Neunziger-Soul-Sounds. Hierzulande fiel dieser durch die Hit-Single 'Last Night A DJ Saved My Life' auf, die große Cover-Version des großen Originals. Ohne Zweifel nimmt man Blacknuss-Sängerin Nai-Jee-Ria die Worte des Refrains ab - denn man hört, dass die Band viel in Discos war, um möglichst viel von diesem funkelnden Sound zu tanken.

So gestaltet sich der eben genannte Neunziger-Soul-Sound aus einer feinen und filigranen Mixtur unterschiedlicher Siebziger- und Achtziger-Einflüsse, vermengt mit zeitgenössischen Raps, Samples und Hooklines. Nicht selten treffen letztere also auf Keyboardsounds wie Moog Synthies und effektbelegte Wurlitzerpianos, die George Duke funky und Deodato sphärisch machten.

Clean und zurückhaltend, punktiert und lässig erinnern die Gitarren an George Benson und zeigen sich von ihren sommerlichsten Saiten. Dabei sind die Bässe so trocken, warm und präzise, dass sie süchtig machen, ohne dabei aufzufallen. Wie nicht anders zu erwarten, sind die Bläsersätze perfekt arrangiert, tight und vielseitig: Hier werfen Querflöten Schmetterlinge ein und da scheint die Sektion das Titelthema einer Siebziger-Krimiserie zu beenden - Quincy Jones wurde gehört!

Doch all das ist nur tanzbarer Boden, um Gesangslinien daraus erwachsen zu lassen. Und so dokumentiert 'Gold' auch die Veränderung von R'n'B und Soul in den letzten 15 Jahren. Vom Neunziger-Rap-Flow verhältnismäßig braver Homies bis zur raffiniert programmierten 2004er Hookline für verführerische Soul-Queens, hören wir exzellente Ausführungen. Hier und da wird leicht mit Samples gesalzen oder versüßt - doch immer nur gerade soviel, dass die Performance der Studioband nicht in den Schatten der Elektronik gestellt wird. So war das früher ... in den Neunzigern.

Egal ob Down- , Mid- , oder Up-Tempo, Blacknuss grooven immer und sie haben einen eigenen Style des Crossover Acid Jazz für sich geprägt, der so smooth wie innovativ, so retrospektiv wie modern ist. Das beweist auch ihre aktuelle Single 'All You Lovin', ein Paradebeispiel dafür, wie funky R'n'B sein kann, wenn er aus Schweden kommt. Der typische orientalische Touch in den Harmonien einer R'n'B-Hookline wurde mit cleveren Beats, Basses und Gitarrensamples umwoben. Hier präsentieren Rapper ADL nach vorne drückende Rhymes und Sängerin Awa Manneh beste Vocals. Was von den Streichern, der Percussion, der glockenklingenden Keyboards nun programmiert oder eingespielt wurde, ist 2004 nicht mehr wirklich rauszuhören. Zuzutrauen wäre den Top-Musikern um Martin Jonsson und Christian Falk jedenfalls beides. Ist ja auch viel bequemer, wenn man seine Samples selbst einspielen kann ...

Wer also wissen will, was gestern groovy war und heute zeitlos ist, wer sich gerne an die Anfänge der digitalen Produktionssounds zurückerinnert, wer mit dem Kopf nicken, funky sein oder tanzen will, der wird Blacknuss' 'A Decade Of Soul, Jazz And R'n'B'' bald als das GOLDstück seiner Sammlung genießen."

Word. Und Dank an den Verfasser dieser Zeilen. Es stimmt.